Ein neues Wohnquartier im Herzen Hannovers
Entstanden als Projektarbeit von Robert Leiding in Zusammenarbeit mit Hans von Witzendorff.
Aktueller denn je ist die Frage nach bezahlbarem Wohnraum in allen Städten dieser Welt, auch Hannover bildet dabei keine Ausnahme. Nicht ohne Grund stellte die neue Bundesregierung zu Beginn ihrer Legislaturperiode das ambitionierte Ziel auf 400.000 Wohnung pro Jahr zu bauen. Eine signifikante Steigerung zu den bisher etwa 100.000 Wohnungen pro Jahr. Diese Zielstellung bringt viele Anforderungen mit sich: es braucht Platz, unsere Städte müssen noch weiter nachverdichtet und der Wohnraum muss noch effizienter und somit günstiger werden, um vor allem auch Fragen sozialer Ungerechtigkeit auf dem Wohnungsmarkt zu begegnen. Dabei darf natürlich die Qualität des Wohnraums nicht leiden. Um Kosten zu sparen ist der sinnvolle Einsatz von Materialien in einer optimierten architektonischen Struktur zu wählen. 
Hierbei werden Flächen multikodiert um eine große Flexibilität der Wohnungen zu erzeugen und somit, trotz geringerer Wohnfläche pro Person,  ein möglichst hohes Maß an Großzügigkeit zu erreichen. Weiterhin soll dabei die soziale Interaktion zwischen den Bewohnern gestärkt werden. Bei dem Verzicht auf klassische und feste Raumstrukturen (Eingang, Flur, Küche, Wohnzimmer, etc.), spielt die Ausbildung von Schwellen zwischen privaten, gemeinschaftlichen und öffentlichen Flächen eine besonders große Rolle. Sie haben die Aufgabe zu trennen oder zu verbinden, sich Abzugrenzen, zu unterscheiden, zu zonieren und sollen dabei flexible Möglichkeiten für den Alltag bieten. Diese Schwellen auszuloten ist das grundlegende Ziel dieser Arbeit.
Methodik

Wie kann kann man sich dem nähern? Die Methodik spielt bei diesem Entwurf eine große Rolle. Die Beschäftigung mit und das Studieren von diesen spezifischen Schwellensituationen zwischen unterschiedlichen Privatheiten, zunächst im Kleinen, hat es uns ermöglicht viel über sie herauszufinden und daraus Grundrissstrukturen zu entwickeln - und so schließlich die Gebäudevolumen zu entwerfen. Die Klarheit und Schärfe, die dabei von der Behandlung der Schwellräume ausgeht wurde von dieser “Bottom Up”- Methode sehr gefördert.
Ort & Setzung

Der Entwurf befindet sich mitten in Hannover-Linden zwischen dem schwarzen Bären und dem Lindener Markt, in zweiter Reihe parallel zur Falkenstraße. Die Bestandsbebauung weißt im Wesentlichen einen eingeschossigen Garagenhof mit nahezu 100-prozentiger Bodenversiegelung auf. Richtung Nordost bildet sich städtebaulich eine Blockrandstruktur, während sich die Volumetrie in Richtung Südwest immer weiter auflöst. Der Entwurf reagiert hierbei mit einer Hofhaus Typologie und einer Zeile und vermittelt zwischen den beiden städtischen Strukturen.
Dabei bindet der Entwurf ein bestehendes Wohnhaus im Osten und die Freikirche im Westen des Grundstückes mit ein und schafft damit eine qualitätvolle Abfolge an städtischen Räumen, die ebenfalls die Lage des Grundstücks in zweiter Reihe der Hauptstraße betonen und im Vergleich zum bestehenden Garagenhof - mittels Entsiegelung des Bodens - der Natur wieder mehr Platz einräumen. Die beiden Plätze werden unterschiedlich ausformuliert, während der nördliche Platz mit einem versickerungsfähigen Kiesboden und einer gradlinigen Bepflanzung durch das Café bespielt wird und gleichzeitig als neue Adresse für die Freikirche fungiert, ist der zentrale Platz natürlicher belassen und von den Bewohnern aneignungsfähig gestaltet. Hierbei wird die Qualität der Brandwand der Kirche erkannt und als Potenzialfläche den Bewohnern zur Verfügung gestellt.
Typologie & Architektur
Die Typologie des südlichen Hauses leitet sich von dem frühen englischen Reihenhaus ab, wobei mittels von Laubengängen immer drei Wohneinheiten übereinandergestapelt sind. Dabei funktioniert die unterste Wohneinheit als Duplex um die Chance zu haben eine Privatheit gegenüber dem Stadtniveau auszubilden. Durch die Anhebung des Erdgeschosses um ein paar Stufen entsteht eine Stadtterrasse, die sowohl eine Aufenthaltsqualität für den Stadtraum schafft, als auch eine Schwelle der Hausgemeinschaft gegenüber der Öffentlichkeit erzeugt. Mit der Ausbildung von Taschen werden immer zwei Wohneinheiten zusammengefasst und ihre Eingänge zueinander ausgerichtet um das Entstehen von Mikronachbarschaften zu fördern.

Hinter den großflächig verglasten Eingängen liegt als durchgesteckter Raum die Flexzone einer jeden Wohneinheit, die von den Bewohnern frei bespielbar ist. Die Kochinsel lässt sich bis auf den Laubengang schieben um diese Fläche als Erweiterung der Wohnfläche zu nutzen. Nebenbei rückt der Ort zum Kochen weiter in die Öffentlichkeit und gibt der Zubereitung von Essen so eine formale Wichtigkeit, wie auch einen Anlaufpunkt für gemeinschaftlichen Diskurs. In den etwas geschlosseneren Kernen befinden sich die privatesten Räume einer Wohneinheit, die durch Nischen und Taschen verschiedene Bezüge zum gemeinschaftlichen Flexraum herstellen und alle über diesen erschlossen werden.
Im nördlichen Haus werden diese Prinzipien weiterverfolgt, allerdings befindet sich die Erschließung über Laubengänge hier im inneren des Hauses, über den Hof - diese ersetzen hier den klassischen Flur und erschließen jede Wohnung über die Küche. Sie bildet den zentralen Verteiler der Wohneinheit, über diesen alle anderen Räume erschlossen werden. Durch die Anordnung im Hofhaus werden die Küchen zueinander ausgerichtet und stärken dadurch die Bildung einer Hausgemeinschaft. Im äußeren Ring der Grundrissstruktur befinden sich die Schlafzimmer und je Wohneinheit ein etwas größerer Raum der Wahlweise als Wohnraum, Essraum, oder weiteres Schlafzimmer genutzt werden kann.
Über diesen Raum wird jeweils eine Loggia erschlossen. Auch in diesem Grundriss werden, mittels einer Funktionswand mit ihren Nischen und Taschen, Beziehungen zwischen den verschiedenen Räumen und der Küche als Haupt-Aufenthaltsfläche hergestellt. Im Erdgeschoss befinden sich im Nördlichen Haus Gewerbeflächen, die der durchaus urbaneren Positionierung des Gebäudes hin zu Lindens Mitte gerecht werden.
Konstruktion & Materialität

Mit dem Entwurf entstehen in mitten der Stadt 42 neue Wohneinheiten unterschiedlicher Größe, die trotz großzügiger Gemeinschaftsflächen nur einen Netto-Flächenverbrauch von ca. 25-30m² pro Person erzeugen. Durch die Wahl von Stahlbeton-Holz-Verbundkonstruktionen, mit einer vorgehängten Fassade aus gewellten Metallpanelen wird in einer günstigen Bauweise dennoch eine dauerhafte und zeitgemäße Erscheinung geschaffen, die dem Quartier mit seiner neuen Ausrichtung weg vom Parken hin zum Wohnen gerecht wird.
Prozess
Die Erstellung von Raummodellen im Maßstab 1:10 in Kombination mit der Modellfotografie hat sich bei der Überprüfung der Schwellsituationen aber auch bei Material- und Farbwirkung als sehr effektives Mittel erwiesen. So konnten Entwurfsentscheidungen dynamisch überprüft und schließlich getroffen werden. Der Aufwand in der Nachbearbeitung ist dank der Interaktion der Materialien mit dem natürlichen Licht minimal.